Es gibt Fahrräder mit denen man auffällt wie ein bunter Hund. Räder, für deren augenscheinlichen Besitz es anerkennende Blicke von velophilen Passanten hagelt und selbst Laien sich anschicken, lobende Worte über die Ästhetik des Gefährts auf den Weg zu bringen. Den Beweis dafür, dass dieses Phänomen nicht nur extravaganten Nobel-Vehikeln vorbehalten ist, erbringt das Bergamont Grandurance RD 7.0 während der Tests förmlich am laufenden Meter. „Sehr schick.“, tönt es mir im Büro entgegen. „Tolles Rad.“, schallt es an der Ampel. Verbrüdernde Zurufe von Rennradfahrern und Reiseradlern gleichermaßen, als ich mit leichtem Gepäck behangen in ein langes Wochenende radel.
Eigentlich sonderbar, denn Materialien und Ausstattung sind zwar solide aber schlicht. Rahmen und Gabel sind aus Aluminium gefertigt, für Gangwechsel ist Shimanos 105er-Schaltwerk und samt Umwerfer aus der gleichen Hause zuständig. Geschaltet wird – typische für sportliche Räder mit Dropbar – mit einer Kombination aus Schalt- und Bremshebel. Die hydraulischen Bremsen mit 160-mm-Scheiben steuern ebenfalls die Japaner bei. Gleiches gilt für die Hollowtech Innenlager, sowie den Kurbelsatz. Darüber hinaus sind – von der Sattelstütze, über den Steuersatz bis zu den Hochfelgenlaufrädern – etliche Teile aus der eigenen Komponenten-Schmiede der Hamburger verbaut.
»Verbrüdernde Zurufe von Rennradfahrern und Reiseradlern gleichermaßen, als ich mit leichtem Gepäck behangen
in ein langes Wochenende radel«
Die Basis für diesen modernen Randonneur stellt die Grandurance-Plattform, die bisher mit leichten Carbon-Crossern von sich reden
machte. Entsprechend vorderradorientiert fällt die Geometrie aus, die sich aber gleichzeitig für lange Reiseetappen eignen soll. Vor allem der Rahmen wirkt für eine Alu-Konstruktion sehr
komfortabel. Offenbar sind die Rohrdurchmesser so gewählt, dass eine gelungene Kombination aus Komfort und Steifheit erreicht wird. Dem Wohlbefinden zuträglich sind überdies die Schwalbe G-One
Reifen in den Dimensionen 35-622, die für genügend Dämpfung auf löchrigen Straßen oder Schotterpisten sorgen und auch mit weniger (? Konkret) Luftdruck genügend Durchschlagschutz
bieten. Ja, selbst auf Schotter und Waldwegen macht das Bike aus St. Pauli eine gute Figur. Ebenso im Alltag und auch auf Reisen mit kleinem bis mittelgroßem Gepäck.
»Ja, selbst auf Schotter und Waldwegen macht das Bike aus St. Pauli eine gute Figur. Ebenso im Alltag und auch auf Reisen mit kleinem bis mittelgroßem Gepäck«
Der serienmäßige Stahl-Gepäckträger wird von den langen, aber unauffälligen Alu-Schutzblechen stabilisiert – eine sehr dezente, gleichzeitig funktionale Konstruktion – und nimmt in meinem Fall zwei Gravel Bags mit Ausrüstung für eine Wochenendtour auf. Theoretisch würde zusätzlich eine Gepäckrolle Platz finden. Für meine Zwecke wird das Setup mit einer Oberrohr-Rahmentasche, einem Gastank und einer kaum gefüllten Seatpostbag ergänzt. Für weiter Kapazitäten wäre eine Lenkertasche oder ein Harness-System denkbar, denn die Tapered-Gabel verfügt über keine Lowrider-Aufnahmen – ein Tribut an die sportlichen Wurzeln.
»Auch im dreistelligen Kilometerbreich radelt es sich noch entspannt und ohne materialbedingte Ermüdungserscheinungen«
Von der Beladung zeigt sich das Grandurance gänzlich unbeeindruckt und liegt selbst im Wiegetritt stoisch auf Spur. Wer es gemütlich angehen möchte, greift auf die oberen Lenkerpositionen zurück, bei Gegenwind oder sportlichen Einlagen kommt das Untergeschoss des Lenkers zum Einsatz. Obwohl ich selten mit Dropbar-Rädern unterwegs bin, und die demütig gebeugte Haltung bisher eher skeptisch betrachtete, kann ich meine Freude über das schnittig-schnelle und erstaunlich komfortable Vorankommen kaum verhehlen. Selbst im dreistelligen Kilometerbreich radelt es sich noch entspannt und ohne materialbedingte Ermüdungserscheinungen. Mit den ebenfalls ungewohnten Hebeleien der Schalt-Brems-Kombi hab ich mich längst angefreundet. Die Gänge rasten satt und die Bandbreite des 2 x 11 Antriebs lässt kaum Wünsche offen. Nur auf steilen Rampen wünsche ich mir manchmal noch ein oder zwei Gänge niedriger gehe zu können. Für Touren mit langen Bergetappen wäre eine alternative Übersetzung denkbar.
Die Kilometer purzeln zusehends und ich schnelle dem Tagesziel entgegen, während im Kopf der Keller neu sortiert wird, um Platz für so einen schnellen Gravel-Reise-Alltags-Hybriden zu schaffen. In der Dämmerung werden die letzten Meter in Angriff genommen. Kurzer Mensch-Maschine-Systemcheck: Alles gut, keine Maläsen, nichts zu meckern. Selbst der Hintern zwickt kaum. Eigentlich könnten wir noch ein paar Kilometer auflegen.
»Mit dem Ziel-Bier in der Hand finde ich mich in einer gesellige Runde wieder, aus der immer wieder anerkennenden Blick und lobende Worte in Richtung des RD 7.0 gesendet werden«
Der Lichtkegel des Busch & Müller IQ X Scheinwerfers taucht die schmale Schotterstraße in helles Licht – schon sehr praktisch so eine fest verbaute Lichtanlage. Genauso wie die Schutzbleche. Klar, das drückt alles bisschen aufs Gewicht, doch mit 11,9 Kilogramm gehört das Grandurance aus Reiseradler-Perspektive eh’ zu den Leichtgewichten. Leicht genug jedenfalls, um sich auch als Alltags- und Pendelrad zu qualifizieren, selbst wenn Kellertreppen und Büroflure überwunden werden müssen.
Mit dem Ziel-Bier in der Hand finde ich mich in einer gesellige Runde wieder, aus der immer wieder anerkennenden Blick und lobende Worte in Richtung des RD 7.0 gesendet werden. Kenn ich schon, alter Grandurance-Hut. Doch jetzt packe ich die Gelegenheit am Schopfe und Frage nach: Was macht euch an diesem Rad eigentlich so an? Von Seiten der Frei- und Teilzeit-Radler wird unisono das schlüssige, schlichte Design gelobt. Vor allem die farblich abgesetzte Gabel schein der Hingucker schlechthin zu sein – Stichwort bunter Hund. Die Analyse stößt auch bei den Rad-Connaisseuren auf Zustimmung und wird von lobenden Worten über die Bandbreite des Gesamtkonzepts, die saubere Verarbeitung, den hohen Nutzwert und die schönen Detaillösungen – vor allem die unauffällige Integration von Träger und Schutzblechen – ergänzt. Dem ist wenig hinzuzufügen. Offenbar hat Bergamont einen Nerv getroffen.
Auch bei mir, wie ich feststellen muss. Als ich mein Gepäck für die Heimreise verstaue macht sich leises Unbehagen bemerkbar, denn Zuhause wartet der Karton, mit dem das auf ganzer Linie überzeugende Grandurance RD 7.0 die Rückreise nach St. Pauli antreten wird.
/Al
Und hier noch die Spec...