Das reine Gipfelglück.
Das schlechte Bergwetter saß uns schon längst im Nacken, als wir viel zu spät, aber doch maximal entspannt gegen die ersten der insgesamt 1.600 Höhenmeter ankurbeln. Das Ziel: Der "Strada della Vena Trail". Klanghafter Name, Bomben-Landschaft, beinah' unglaubliche 17 Singletrail-Kilometer bergab - kann das wirklich wahr sein?
Doch der Weg zum Refugio Averau auf sagenhaften 2.416 Metern über dem Meer ist steinig - also zumindest sprichwörtlich, denn tatsächlich ist er asphaltiert. Kein Witz, von Caprile aus windet sich ein Aspahlt-Band in unzähligen Kehren bergan, erklimmt Selva di Cadore, von dort den Passo di Giao, um finalmente das Rifugio Fedare zu streifen. Von dort können die restlichen 400 Höhenmeter auf einem sehr steilen, grob geschotterten Pfad in der Lift-Schneise absolviert werden. Lift? Genau! Diese Aussicht ist es dann wohl auch, die uns stoisch und mit einigen Abwegen das Massiv am Fuße des Averau erklimmen lässt.
Beim vermeintlich wohlverdienten Gelato in Selva di Cadore ist die Welt noch in Ordnung. Doch kurz darauf versperrt uns in einem Waldstück hinter dem Dorf eine Berghang-füllende Baustelle den Weg. Kein Vorbeikommen. Zurück würde gehen, die senkrecht anmutende Bergwiese zur Rechten ist allerdings der direkte Weg. Die mühselig erarbeiteten Höhenmeter werden als ebenso mühselig - weil bergab kletternd - vernichtet. Das freilaufende Pferd auf dem Gehöft in der Talsohle ist von unserer Anwesenheit nur mäßig begeistert.
Der Passo di Giao hat es in sich und zählt die Kurven zur finalen Vernichtung der Bergwertungs-Motivation rückwärts Richtung Cortina d'Ampezzo. Tornante 27° beziffert den Auftakt und wir sind schon ziemlich fertig. Aus Tornante 12° können wir unser vorläufiges Ziel - die Talstation des Lifts - schon sehen.
Greta: Siehst du das?
Ich: What?
Greta (etwas angesäuert): Da sind zwar Lift-Pfosten, aber keine Gondeln!
Ich (bagatellisierend): Ach was! Neeee, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Greta: schweigt
Ich (beschwichtigend): Jaaaa und wenn schon. Die läppischen 400 Höhenmeter sind dann auch schnell gemacht.
Grata: schweigt zähneknirschend.
Ich (ablenkend): Nä, wat is dat schön hier!
Also insgeheim ist mir bei dem Gedanken auch nicht ganz wohl - auch angesichts der mittlerweile beunruhigend fortgeschrittenen Zeit .
Wir haben ja Zeit, ist schließlich Urlaub: Dass es hinten raus noch knapp werden wird, konnten wir beim entspannten Kaffee- und Frühstücks-Stopp nicht ahnen.
|| Ungeplante Umwege: Die Bergwiese können wir nur eingeschränkt als Traverse empfehlen. || Das
Tornante 12° Desaster. Aber da geht doch noch was. || Das Ziel vor Augen: Der Sattel rechts vom Averau.
Um den Spannungsbogen nicht zu überstrapazieren: Der Lift fährt, der Lift nimmt unsere Räder mit, der Lift-Mann im Kassenhäuschen ist unsere bester Freund. Nach zehn lausig kalten Minuten stehen wir frierend am Fuße des Averau, machen das obligatorische Gipfel-Foto, füllen die CamelBaks und nehmen noch Corny-kauend die ersten Meter der Schutthalde Richtung Trail in Angriff.
Dem Übermut und auch der erbarmungslosen Gravitation ist es zuzuschreiben, dass wir - obwohl wir es besser wissen - den etwas versteckten Einstieg verpassen. Zu Fuß finde ich den Pfad circa 50 Meter oberhalb von uns. Dem Übermut, der erbarmungslosen Gravitation, und noch dazu der dünnen Luft ist es jetzt zu zuschreiben, dass ich schon bald feststellen muss, dass sich zwei nicht ganz leichte Fahrräder nur sehr mühselig querfeldein bergauf transportieren lassen. Nä, wat is dat schön hier.
Der Lift: Wohlverdient und die Freude ist groß....
No pain, no gain: Obwohl wir 400 Höhenmeter gefuddelt haben, bleibt uns die Trage-Passage nicht erspart.
Gerade dem Steinfeld entkommen und auf der Suche nach maximalem Flow, lässt der nächste Navigationsfehler nicht lange auf sich warten. Ich meine kurz das Wort "Himmelfahrts-Kommando" hinter mir
zu vernehmen, aber ein Krampf lenkt mich schnell von dem mutmaßlich Gehörten ab. Als vereinzelt ein paar Tropfen aus den wassergesättigten Wolken fallen, haben wir den Strada della Vena Trail
wieder fest im Blick und lassen es gen Tal fliegen. Unnötig zu erwähnen, dass jetzt keine Zeit mehr für Fotos ist, denn es ist wirklich war: 17 km feinster Singletrail. Oben bissl verblockt
und technisch, ab den Wiesen voller Flow bis runter nach Caprile. Was für ein Auftakt!
Nächster Halt: Das Soca-Tal
/Al
In diesem Bild haben wir ein Fahrrad versteckt...
...here we go. Attacke!
Der mühselige Weg nach oben hat uns definitiv den Schnitt vermasselt. Ohne Umwege kriegt man die Runde auch in einer passableren Zeit hin.
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Anja (Mittwoch, 18 November 2015 17:17)
Klasse Tour und toller Bericht.
Alan (Donnerstag, 19 November 2015 19:53)
Danke Anja :)