In goldenem Glanz: Die Golden Gate Bridge, unser Tor zu San Francisco.
Der Moment, als dieser spezielle Moment da ist, auf den ich mich schon vor der Abreise in Deutschland gefreut habe, ist tatsächlich etwas Besonderes. Ich fahre mit dem Fahrrad über die Golden Gate Bridge, diese phänomenal berühmte Brücke, die ich zu Schulzeiten im Kunst-Leistungskurs als Bleistiftzeichnung in meinem Skizzenbuch zu Papier gebracht habe. Entsprechend vertraut kommen mir das Relief der Brückenpfeiler und die Anordnung der Stahlseile vor, als ich auf der Brücke entlangfahre.
Ich muss mich korrigieren: Es ist nichts Besonderes, mit dem Fahrrad über die Brücke zu fahren. Es ist Samstag, die Sonne scheint, und mit mir fahren gefühlt mehrere Tausend Touristen auf
Leihfahrrädern über die Mündung der San Francisco Bay. Hin und wieder sausen Locals in Spandexklamotte auf High-End-Rennrädern vorbei und schneiden ihnen den Weg ab.
Für mich ist die Brückenquerung dennoch ein erhebender Moment. Denn anders als die meisten, mit denen ich die Straße teile, haben Alan und ich rund 2.500 km mit dem Fahrrad zurückgelegt, um an diesem Ort zu kommen. Für uns ist die Golden Gate Bridge kein beschaulicher Sightseeing-Ausflug. Wir haben in diesem Moment bereits gut 50 Kilometer in brütender Hitze, über stark befahrene und extrem bergige Straßen zurückgelegt. Irgendwie fühlt es sich fast so an, als wären wir bereits am Ziel unserer Reise – dabei trennen uns noch einige hundert Kilometer von San Diego. Fest steht jedenfalls: San Francisco ist mehr als nur ein Etappenziel.
Und doch betreten wir San Francisco mit einer gehörigen Portion Skepsis. Man kann es Seattle-Trauma nennen. Denn was wir bisher aus nordamerikanischen Städten mitgenommen haben, ist vor
allem die Erkenntnis, dass Europa verdammt viel zu bieten hat. Charme, Flair, Geschichte und unglaublich gutes und vielfältiges Essen.
Doch San Francisco kann mithalten. Irgendwie schafft es die Stadt, ihre typische Reißbrett-Struktur mit Leben zu füllen. Dass sich die Städteplaner mit San Francisco offensichtlich richtig Mühe gegeben haben, merkt man daran, dass die meisten Straßen echte Namen haben – und nicht nur Nummern. Meine Augen bleiben an bunten Häusern mit Erkern und Türmchen hängen - eine ungewohnte visuelle Freude, sind meine Blicke doch in den vergangenen Wochen und Monaten gewöhnlich an Glasfassaden und funktionalen Betonbauten abgeprallt. Ja, sie haben Charme, Flair und ein bisschen Geschichte, die Straßen von San Francisco. Und was das Kulinarische betrifft - wir entdecken Trader Joe's und sind glücklich.
Die eigentlichen Touri-Hotspots sind – wie so oft – eher bescheiden: Fisherman’s Wharf gleicht einem Besuch auf dem Jahrmarkt - schrill, kommerzialisiert und viel zu viel Gedränge. Ich bewundere die Seelöwen am Pier 39 für ihre stoische Gelassenheit, mit der sie tagtäglich die vorbeiziehenden Touristenschwärme ertragen, die von Bussen und Kreuzfahrtdampfern ausgespuckt werden. Die Cable Cars sind zwar lustig anzusehen, wie sie nahezu senkrecht die Straßen hinaufklettern. Aber dafür in der Schlange stehen? Da stelle ich mich dann doch lieber bei Trader Joe’s an der Kasse an. Das Hippieviertel Haight Ashbury ist nicht wirklich mehr als ein Flohmarkt für Batik-T-Shirts und Räucherstäbchen. Und die weltberühmte Lombard Street mit ihren vielen Kurven ist letzten Endes nur eine üppig begrünte Straße.
Nein, San Francisco punktet nicht durch Sehenswürdigkeiten. San Francisco besticht durch sein Flair, durch sein Leben auf der Straße, durch herzliche Menschen und nette Gespräche an der
Bushaltestelle, durch seine Architektur und seine Lage am Meer und der Bay.
Da nehmen wir das Angebot von Heidi und Martin, unseren Warmshowers*-Gastgebern, doch gerne an und bleiben noch eine weitere Nacht!
/Gr
*Warmshowers = Couchsurfing-Pendant für Radreisende
Kommentar schreiben
Maria M. (Samstag, 31 Januar 2015 17:48)
Toll, was Ihr in der relativ kurzen Zeit in S.F. alles gesehen habt. Die Aufnahmen zeigen noch unbekannte Seiten der Stadt. Ein Schmankerl die Golden Gate-Br. bei Nacht!